Zur Bedeutung der Silberdistel
Die Silberdistel ist eine wehrhafte Pflanze, die in kargen Böden wächst und mit wenig überleben kann. Ihre besondere Schönheit zeigt sie durch ihre große Blüte mit den silbern leuchtenden Blütenstrahlen. Für uns stellt die Silberdistel ein Symbol dar für sexuell verletzte Mädchen und Jungen, die trotz schwerer Bedingungen überlebt haben und eine starke Lebenskraft besitzen.
Was ist sexuelle Gewalt?
Sexuelle Gewalt findet tagtäglich in den unterschiedlichsten Formen statt wie z.B. durch Vergewaltigung, sexuellen Missbrauch, sexuelle Belästigung, Pornografie. Jede sexuelle Handlung mit, an oder vor Kindern ist sexuelle Gewalt.
Auch sexuelle Übergriffe unter Kindern bzw. unter Jugendlichen können als sexuelle Gewalt verstanden werden.
Die Täter sind selten Fremde. Meist sind sie vertraute Personen, Familienangehörige, z.B. Väter, Stiefväter, Brüder, manchmal auch Mütter, Freunde, Nachbarn, Bekannte etc. Ein Drittel der Täter sind Jugendliche. Etwa drei Viertel der Opfer sind Mädchen.
Die Erfahrung von sexueller Gewalt kann in der Folge das ganze Leben beeinträchtigen. Sexuell verletzte Mädchen und Jungen können unter Angst, Schuld- und Schamgefühlen leiden. Vielfältige seelische und körperliche Probleme können sich einstellen.
Verantwortlich handeln - Was können Sie tun, wenn Sie sexuellen Missbrauch vermuten oder davon erfahren?
Nehmen Sie Ihre Vermutungen ernst und sprechen Sie mit einer Person Ihres Vertrauens.
Glauben Sie dem Kind. Die Erfahrung zeigt, dass sich Mädchen und Jungen sexuelle Übergriffe nicht ausdenken.
Bleiben Sie ruhig. Panik und überstürztes Handeln würden das Kind zusätzlich belasten und eventuell wieder zum Schweigen bringen.
Informieren Sie sich und suchen Sie Hilfe für sich. Das Thema sexuelle Gewalt berührt auch eigene Ängste und Erfahrungen. Überlegen Sie, wer Ihnen helfen könnte. Bleiben Sie damit nicht alleine.
Nehmen Sie Kontakt zu Silberdistel oder einer anderen Beratungsstelle auf. Hier finden Sie fachkundige Unterstützung.
Versprechen Sie nichts, was Sie nicht halten können. Unternehmen Sie nichts über den Kopf des Kindes hinweg.
Wie häufig kommt sexuelle Gewalt vor?
Leider sind sehr viele Kinder und Jugendliche Opfer sexueller Gewalt.
Dunkelfelduntersuchungen haben ergeben, dass ca. jedes vierte Mädchen und jeder zwölfte Junge bis zum Alter von 18 Jahren sexuelle Übergriffe erleben musste.
Beim Bundeskriminalamt werden jedes Jahr 18.000-20.000 angezeigte Fälle von sexuellem Missbrauch gezählt. Bei einer geschätzten Dunkelziffer von 1:20 bedeutet dies, dass jährlich ca. 400.000 Kinder sexuell missbraucht werden. (Dunkelziffer bedeutet, dass nur ca. jeder 20. Fall angezeigt wird.)
Wer sind die Täter?
In den meisten Fällen finden die Übergriffe im familiären Umfeld statt oder im Freundes- und Bekanntenkreis. Übergriffe durch Fremde sind selten (nur ca. 6% aller Fälle). Die meisten Kinder und Jugendlichen werden von Männern oder Jugendlichen missbraucht, die sie kennen, mit denen sie zusammen leben oder in der Freizeit zu tun haben und die sie oft auch mögen. Ein sexueller Missbrauch bedeutet deshalb oft einen massiven Vertrauensbruch und Machtmissbrauch.
Warum ist es so schwer, darüber zu reden?
Sexueller Missbrauch, sexuelle Grenzverletzungen oder Vergewaltigungen finden im Geheimen statt und es ist sehr schwer für Betroffene, darüber zu reden. Sie schämen sich und fühlen sich schuldig. Kinder verstehen oft nicht, was da passiert. Sexuelle Grenzverletzungen beginnen nicht selten mit scheinbar zufälligen Berührungen, Bemerkungen, die das Kind nicht verstehen kann. Mädchen und Jungen werden dadurch in ihrer Wahrnehmung verwirrt. Je länger dies anhält und je öfter so etwas geschieht desto schwieriger wird es für ein Kind, darüber zu reden. Tatsache ist jedoch, dass Täter in der Regel ganz gezielt vorgehen. Sie binden in ein Spiel ein, suggerieren dem Kind, dass es das doch auch wolle oder es ihm gefällt und benennen dieses „Spiel“ als „unser kleines Geheimnis“. Oder sie drohen dem Kind oder der Jugendlichen, dass etwas Schlimmes passiert, wenn sie es weiter erzählen.
Wie reagiert das Umfeld?
Wenn Kinder oder Jugendliche von sexuellen Übergriffen erzählen, ist es oft so, dass ihnen nicht wirklich geglaubt wird. Eine ganz typische Reaktion ist, dass sie hören, das könne doch gar nicht sein. Wer kann sich schon vorstellen, dass der eigene Partner, Freund, der Onkel, der Cousin oder auch der eigene Sohn so etwas tut. Ein sexueller Missbrauch innerhalb der Familie bedeutet daher eine Krise für die gesamte Familie, in der diese Unterstützung braucht.
Was brauchen betroffene Mädchen und Jungen?
Die betroffenen Kinder und Jugendlichen brauchen jemand, der sie versteht und auf ihrer Seite steht. Viele fühlen sich schuldig an dem was passiert ist und denken, sie hätten sich nicht ausreichend gewehrt.
Deshalb ist es wichtig, betroffenen Mädchen und Jungen zu sagen, dass sie nie selber schuld sind und ihnen zu vermitteln, dass alle Kinder und Jugendliche sich auf ihre Art wehren. Manche drehen sich weg, stellen sich schlafend, tun so, als ob sie nichts mitbekommen würden, manche machen es einfach mit und lassen es über sich ergehen, weil sie Angst haben, dass es sonst noch schlimmer werden könnte.
All diese Widerstandsformen (oder Überlebensstrategien) werden von den Tätern einfach übergangen und ignoriert. Täter sind sehr geschickt darin, die Tatsache zu verdrehen und ihre Opfer für die Tat verantwortlich zu machen, indem sie z.B. sagen, das Mädchen habe sie provoziert. Das ist falsch, allein der Täter ist verantwortlich für die Tat und die Konsequenzen. Kinder und Jugendliche haben nie Schuld. Wichtig ist, dies Kindern und Jugendlichen immer wieder zu versichern.
Welche Folgen hat sexueller Missbrauch für die Betroffenen?
Sexueller Missbrauch kann weit reichende Folgen für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen haben und kann zu Verletzungen auf körperlicher und seelischer Ebene führen.
Die Betroffenen werden vom Täter benutzt, ihre Grenzen werden übergangen, ihre Gefühle werden missachtet und verletzt. Sie fühlen sich hilflos, ausgeliefert und beschmutzt. Ein sexueller Übergriff durch eine vertraute Person zerstört das Vertrauen in andere.
Viele Mädchen und Jungen versuchen, ihre Erfahrungen zu verdrängen. Sie wollen nicht mehr darüber sprechen und nicht mehr daran denken. Manchmal funktioniert dies eine Zeitlang. Trotzdem bleiben die Verletzungen im Körper und in der Seele gespeichert und wirken weiter. Betroffene Mädchen und Jungen fangen an, sich und ihren Körper zu hassen, sie verlieren ihr Selbstvertrauen, empfinden sich als wertlos und nicht liebenswert, sie entwickeln Ängste oder spalten ihre Gefühle ab.
Was passiert in der Beratung?
Kinder und Jugendliche, die sexuelle Gewalt erlebt haben und es nicht verarbeiten können, brauchen Unterstützung. In der Beratung können wir Mädchen und Jungen helfen, mit ihren Erfahrungen zurecht zu kommen. Dabei gehen wir sehr vorsichtig vor und orientieren uns an dem, was die Mädchen und Jungen wollen.
Wir helfen Kindern und Jugendlichen, ihre eigenen Grenzen wieder wahrzunehmen und dafür zu sorgen, dass diese geachtet werden. Wir unterstützen sie darin, dass sie wieder lernen, ihren Körper als achtenswert und zu ihnen gehörig wahrzunehmen und verständnisvoll mit sich umzugehen.
Wie lange eine solche Beratung dauert, ist ganz unterschiedlich. Manchmal reichen ein oder ein paar Gespräch(e), manchmal begleiten wir Mädchen und Jungen über einen längeren Zeitraum.
Was passiert bei einer Anzeige?
Sexueller Missbrauch, Vergewaltigung oder sexuelle Nötigung sind strafbar. Wenn die Polizei davon erfährt, muss sie ermitteln. Allerdings besteht keine Anzeigepflicht, das heißt, man muss keine Anzeige machen, wenn man von sexuellem Missbrauch oder einer Vergewaltigung erfährt.
Wenn jedoch eine Anzeige gemacht wird, kann man diese auch nicht mehr zurücknehmen. Darum ist es gut, die Frage, ob eine Anzeige gemacht werden soll oder nicht, gut abzuwägen. Zum einen kannst du dich bei uns in der Beratungsstelle informieren und wir können dich während der Zeit eines Strafverfahrens unterstützen und dir den Rücken stärken. Außerdem ist es sinnvoll, eine rechtliche Beratung einzuholen. Falls du das möchtest, können wir dir Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen nennen, die dich beraten und deine Rechte vertreten. In der Regel musst du einen solchen Rechtsanwalt / Rechtsanwältin nicht selbst bezahlen.
Wenn man sich nach der Beratung für eine Anzeige entscheidet, wendet man sich am besten direkt an die jeweilige Kriminalpolizei vor Ort. Dort gibt es speziell zuständige Kriminalbeamte oder Kriminalbeamtinnen. Wenn man lieber mit einer Beamtin sprechen möchte, dann sollte man das am besten vorher sagen. Bei einer Anzeige muss man das, was passiert ist so genau wie möglich erzählen. Die Polizei wird dann weiter ermitteln, andere Zeugen und den Beschuldigten vernehmen. Danach entscheidet die Staatsanwaltschaft, ob es zu einer Gerichtsverhandlung kommt. Bis dahin vergeht oft viel Zeit.